Betriebsrentenstaerkungsgesetz

Zum 01.01.2018 tritt das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) in Kraft.

Es ändert nicht nur Teile des bisherigen Systems der betrieblichen Altersversorgung, sondern führt auch das Sozialpartnermodell als neues System ein. Beide Systeme bleiben parallel bestehen.

Im folgenden Artikel haben wir für Sie die wichtigsten Informationen zusammengefasst.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz tritt am 01.01.2018 in Kraft (BRSG)

Worum geht es genau?

Das Gesetz teilt die betriebliche Altersversorgung in zwei Bereiche: Ab 2018 werden im bisherigen System der betrieblichen Altersversorgung einige Änderungen vorgenommen. Die Struktur der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland wird außerdem durch ein neues System – das sogenannte Sozialpartnermodell – ergänzt. Alte und neue Welt existieren ab 2018 parallel.

Zu den bisher 5 Durchführungswegen kommt ein sechster hinzu, der sich nicht durch eine weitere Versorgungseinrichtung, sondern durch die Zusageart unterscheidet. Betroffen vom Gesetz sind allerdings nur Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Unterstützungskassen und Pensionszusagen sind von der Gesetzesänderung NICHT tangiert. Die Zusageart entscheidet bereits in der bisherigen Welt über eine Vielzahl von Rechten und Pflichten des Arbeitgebers, nun kommt die „reine Beitragszusage“ hinzu, die die Haftung des Arbeitgebers erheblich reduziert.

Klares Ziel der Bundesregierung ist es, die Altersversorgung der Arbeitnehmer über die betriebliche Ebene zu verbreitern und alle Schichten der Arbeitnehmer zu erreichen, also auch Geringverdiener sowie den Klein- und Mittelstand. Das ist auch nötig, weil die Kürzungen in der gesetzlichen Rente in den letzten 15 Jahren bisher nicht dazu geführt haben, dass die dadurch entstandene Lücke über die betriebliche oder private Ebene aufgefüllt wurde – trotz immer stärkerer staatlicher Förderung (Riesterrente, Rüruprente und betrieblicher Altersversorgung). Die Regierung ist also unter Zugzwang. Ein Zwang zur Vorsorge soll es beim Arbeitnehmer aber zunächst trotzdem nicht geben.

Ziel war außerdem, dem Arbeitgeber ein Modell zur Verfügung zu stellen, das ihn aus seiner enormen langfristigen Haftung im Hinblick auf die zugesagten Leistungen entlastet und zu mehr Akzeptanz und Verbreitung führt. In der alten Welt haftet der Arbeitgeber für die Durchführung, Abwicklung und alle zugesagten Leistungen an den Arbeitnehmer in voller Höhe und übermehrere Jahrzehnte hinweg, und das völlig losgelöst von seinem eigentlichen Geschäftszweck und dessen Entwicklung, die in keiner Branche vorherzusehen sind. Die Haftung erfährt in der aktuellen Niedrigzinsphase nochmal besonders starken Druck. Diese Hemmnisse sollten auf Arbeitgeberseite über das Sozialpartnermodell abgebaut werden.

Zunächst zu den generellen Veränderungen ab 2018

Für jeden Arbeitnehmer wird der steuerfreie Rahmen für Beiträge, die in die Varianten Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds fließen können, von 4% auf 8% der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) West verdoppelt. Bei Werten aus dem Jahr 2017 sind das bisher 254 Euro (zzgl. möglicher steuerfreier Aufstockungsbetrag von 1.800 € p.a.), die sich im nächsten Jahr auf 508 Euro mtl. erhöhen (Stand 2017). Die Sozialversicherungsfreiheit der Beiträge bleibt unverändert bei 4% der BBG. Der arbeitsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers, eine Entgeltumwandlung vom Arbeitgeber zu verlangen, bleibt ebenfalls bei 4% der BBG.

Der Arbeitgeber wird bei Entgeltumwandlungsbeiträgen seiner Mitarbeiter künftig verpflichtet, einen 15%igen Arbeitgeberzuschuss zu leisten, soweit er Sozialversicherungsbeiträge einspart. Diese Verpflichtung greift  für neue Vereinbarungen ab dem Jahr 2019, für bestehende Versorgungen ab dem Jahr 2022.

Die Grundzulage der Riesterrente wird generell auf 175 Euro erhöht. Wird die Riesterrente über den Betrieb dargestellt, entfällt künftig die bisher negative Doppelverbeitragung der späteren Leistungen in der Kranken- und Pflegeversicherung. Auch die Anrechnung der Leistungen aus Riester-, Betriebs-  oder privaten Renten auf die Grundsicherung wird deutlich verbessert.

Zahlt der Arbeitgeber für seine geringverdienenden Arbeitnehmer mit Einkommen bis 2.200 Euro mtl. freiwillige Versorgungsbeiträge in Höhe von 240 bis 480 Euro pro Jahr ein, bezuschusst der Staat den Arbeitgeber mit 30% dieser Beiträge. Das soll sozialpolitisch ein starker Anreiz zur Förderung der Geringverdiener sein.

Auch Abfindungszahlungen können nun über die sogenannte Vervielfältiger-Regelung für den Arbeitnehmer sinnvoller in die betriebliche Versorgung gepackt werden, weil Anrechnungen bereits gezahlter Beiträge künftig entfallen.

Was bringt das Sozialpartnermodell als „neue Welt“?

Über das Sozialpartnermodell wird der 6. Durchführungsweg eingeführt. Betroffen sind hier ebenfalls nur Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds.

Erstmals werden die Tarifparteien  (AG- und AN-Vertretung) direkt mit der Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung beauftragt und einbezogen. Die Tarifvertragsparteien verantworten die Einführung, Gestaltung, Durchführung und Steuerung der neuen Versorgungseinrichtungen. Wie die Gestaltung im Einzelnen in den jeweiligen Branchen vorangetrieben und umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Das Modell lässt aber betriebsindividuell flexible und individuelle Lösungen zu, die rechtlich immer ihre Grundlage im Tarifvertrag finden müssen.

Völlig neu ist die Regelung, dass der Arbeitgeber mit der neuen Zusageart der reinen „Beitragszusage“ keine Garantie für die Leistung mehr übernehmen muss, sondern nur noch die Verpflichtung hat, die Beiträge abzuführen. Das Sozialpartnermodel entlastet den Arbeitgeber in seinen Haftungsrisiken also erheblich. Er steht nicht jahrzehntelang wie in den bereits bestehenden Versorgungszusagen für die Durchführung und die versprochen Leistung gerade.

Eine Garantieleistung soll es im neuen Modell nicht geben, dafür eine Zielrente, die sich nach der Wertentwicklung der Anlagen der jeweiligen Versorgungswerke richtet. Auch in Bezug auf Anlage- und Investmentrichtlinien sind die Tarifvertragsparteien bei Gestaltung, Durchführung, Sicherung und Steuerung beteiligt. Ein festzulegender Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers (ca. 10%) soll Schwankungen auffangen und die Renditen erhöhen. Innerhalb der Versorgungswerke wird zur Absicherung der Versorgungen ein besonderes Risikomanagement eingerichtet, außerdem überwacht die BaFin die Träger in engen Abständen.

Ab 2018 können automatische Entgeltumwandlungen vorgesehen werden, wenn diese in einem Tarifvertrag vereinbart wird. Dieses Vorgehen wird Opting-out genannt. Der Mitarbeiter kann seiner Entgeltumwandlung innerhalb einer Frist widersprechen. Tut er das nicht, erfolgt die Entgeltumwandlung für ihn automatisch und bindend.

Tarifgebundene Unternehmen MÜSSEN künftig die neue Regelungen des Sozialpartnermodells umsetzen. Nicht tarifgebundene Unternehmen sollen nach explizitem Wunsch des Gesetzgebers das Sozialpartnermodell ebenfalls nutzen können. Per Appell an die Tarifparteien sollen keine geschlossenen Versorgungssysteme vereinbart werden, einen Zwang zur Öffnung soll es aber nicht geben. Unklar ist also noch, wie leicht oder wie schwer der Zugang nicht tarifgebundener Unternehmen an die jeweiligen neuen Lösungen gestaltet wird. Die Tarifexklusivität wird hier den Zugang möglicherweise erschweren. In jedem Fall ist es so, dass nicht tarifgebundene Unternehmen sich nicht den gesamten Tarifvertrag unterwerfen müssen, aber die Altersversorgungsregelungen müssen in Gänze akzeptiert werden.

Was ist Arbeitgebern zu raten?

Was die generellen Änderungen außerhalb des Sozialpartnermodells angeht, muss er natürlich die Fakten kennen und umsetzen können. Er sollte aber auch unbedingt einen Überblick über seine bestehenden Verträge und Zusagen haben. Gerade hier schlummern seit Jahren Haftungsrisiken, die den Arbeitgebern aus Unwissenheit nicht bekannt sind. Der Umgang mit diesem Bestand sollte kritisch überprüft werden. Viele bestehende Versicherungsverträge werden versicherungstechnisch im gleichen Vertrag wahrscheinlich nicht mehr zu erhöhen sein. Dieser Umstand und das Gesetz selbst bietet dem Arbeitgeber jetzt die Gelegenheit, arbeitsrechtlich prüfen zu lassen, ob eine Abkopplung von den alten Risiken möglich ist. Er kann seine Rechte und Gestaltungsfreiheiten für künftige Erhöhungen und Veränderungen zur eigenen Sicherheit wahrnehmen.

Für die tarifgebundenen Arbeitgeber wirkt ein Tarifvertrag wie ein Gesetz und ist unmittelbar und zwingend anzuwenden. Diesem Arbeitgeber steht kein Wahlrecht offen.

Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber braucht sich für die neue haftungsarme Sozialpartner-Variante erst dann entscheiden, wenn einschlägige Tarifverträge der Branche für ihn geöffnet sind und er sich den Versorgungsregelungen vollends unterwerfen möchte. Für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber bedeutet das Sozialpartnermodell auf der einen Seite mehr Freiheit, denn sie werden zur Umsetzung nicht gezwungen und können frei entscheiden. Auf der anderen Seite wird ihnen möglicherweise die Teilnahme an der neuen haftungsbefreiten Welt nicht geöffnet.

Ob für den Arbeitgeber die Welt ohne Garantien tatsächlich attraktiver ist, muss er individuell entscheiden. Eine echte Mitarbeitersteuerung und –bindung lässt sich mit dem neuen Modell allerdings kaum realisieren, arbeitgeberfinanzierte Beiträge sind hier sofort unverfallbar.

Ob der Arbeitnehmer der neuen Welt ohne Garantien vertraut, wird von erstklassigen Beratern und einem guten Management der Versorgungseinrichtungen und des Arbeitgebers abhängen. Zumindest sind hier die Chancen auf eine höhere Rendite vorhanden. Die alte Garantiewelt ächzt unter niedrigen Zinsen und enttäuschenden Ergebnissen. In jedem Fall wird die betriebliche Altersversorgung für niedrig und hoch verdienende Arbeitnehmer attraktiver, denn wegfallende Doppelverbeitragungen, höhere Riesterförderung, höhere steuerfreie Beiträge und Arbeitgeberzuschüsse erhöhen die Leistung. Was die Mitnahme der Verträge, also die Portabilität bei Arbeitgeberwechsel angeht, sind beide Welten nicht harmonisiert worden. Eine Mitnahme eines Vertrags aus der neuen Welt wird nur innerhalb der Branche bzw. innerhalb des Sozialpartnermodells möglich sein. Verträge aus der alten Welt sind wegen der haftungsrechtlichen Zusammenhänge vorerst nicht in die neue Welt portierbar. Bei neuen Eintritten oder Austritten sollte der Arbeitgeber sehr vorsichtig vorgehen und sich haftungsrechtlich beraten lassen.

Die Umsetzung der neuen Zielrente in die Tarifverträge wird generell Zeit brauchen. Die Tarifwelt Deutschlands ist zersplittert und von unterschiedlichen Interessen geprägt. In einigen Branchen werden schön Lösungen in der Schublade liegen, in anderen werden die Gremien noch lange diskutieren. Für Arbeitgeber besteht keine Eile. Sie können in Ruhe abwarten, ob und wann das Sozialpartnermodell für Ihre Branche anzuwenden ist.

Fazit

An diesem Gesetz gibt es vieles zu kritisieren. Es greift durch den verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss in schützende Bestände ein und berücksichtigt das Verbot der Doppelverbeitragung nicht ausreichend. Statt die bisher überregulierten Vorgaben in der betrieblichen Altersversorgung einfacher zu gestalten und dadurch für mehr Akzeptanz zu sorgen, wurde der 6. Durchführungsweg eingeführt. Das macht die praktische und die rechtliche Umsetzung noch schwieriger als bisher. Die alte und die neue Welt müssen nebeneinander verwaltet werden.

Der Arbeitgeber sollte die Gesetzesänderung als Gelegenheit erkennen, sich nochmal über seine Haftung, seine Pflichten, seine Rechte und vor allem seine Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten klar zu werden.

Die Einführung einer neuen, den Arbeitgeber komplett enthaftenden Beitragszusage ist in jedem Fall ein Paradigmenwechsel in der Altersvorsorgelandschaft Deutschlands und eine Chance auf höhere Versorgungen. Ob und wie schnell die jeweiligen Tarifparteien das Gesetz umsetzen, und wie die Beratung für den Arbeitnehmer aussehen wird, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Ein klärendes BMF-Schreiben soll im Herbst verfügbar sein.

Die Durchführungswege Unterstützungskasse und Pensionszusage wurden leider unangetastet gelassen. Hier wäre gerade in der Geschäftsführerversorgung mehr gesetzliche Klarheit wünschenswert gewesen.

In jedem Fall sollte sich der Arbeitgeber in allen Themen der betrieblichen Altersversorgung von einem Rechtsberater begleiten lassen. Wenden Sie sich bei Fragen oder Problemen gerne an uns.